Volksstimme vom 19. April 2025
Das war die 25. Jazznacht
Die Jubiläumsausgabe der Halberstädter Jazznacht bot tolle Stimmung und auch ein bisschen Irritierendes.
VON SABINE SCHOLZ
HALBERSTADT. Grenzenlose Kreativität – das Motto der 25. Ausgabe der Halberstädter Jazznacht passt nicht nur für diesen Abend in vielerlei Hinsicht. Es ist auch das Motto der vergangenen 26 Jahre Vereinsgeschichte. Schafft es das Musikforum Halberstadt doch seit seiner Gründung, ohne öffentliche Förderung besondere Konzerte auf die Beine zu stellen.
Eine Tatsache, die zu Beginn der Jubiläums-Jazznacht besonders betont wurde. Thomas Rimpler würdigte als stellvertretender Oberbürgermeister Halberstadts das unglaubliche persönliche Engagement der Vereinsmitglieder und den teilweise seit den Gründungstagen das Musikforum unterstützenden Sponsorenpool. Ohne diese beiden Zutaten wäre diese Facette des Halberstädter Kulturlebens nicht möglich.
Mit Ausnahme des Coronajahres 2021 ist es den Akteuren immer gelungen, international renommierte Künstler auf Halberstadts Bühne zu holen und den an sich schon stilistisch breitgefächerten Jazz noch weitgefasster zu verstehen.
Das Musikforum Halberstadt ist bei seiner Auswahl grenzenlos – was die Herkunft der Musiker ebenso anbelangt wie deren musikalische Ausrichtung.
Grenzenlose Kreativität
Wie bunt das sein kann, zeigt sich schon beim Eröffnungspart der Jubiläumsnacht. Adam Ben Ezra brauchte nur wenige Takte, um das Publikum gefangen zu nehmen. Was er mit seinem – ungewöhnlich mit fünf Saiten bespannten- Kontrabass anstellt, entführt das Publikum in unerhörte Klangwelten. Dank technischer Unterstützung webt er mit gezupften, gestrichenen oder geklopften Bass-Saiten, mit seiner Stimme, Flöte oder Mundharmonika eine sinfonisch anmutenden Fülle. Seine ohnehin rhythmusbetonten Stücke erfuhren durch das grandiose Spiel von Schlagzeuger Shayan Fathi - der für den kurzfristig verhinderten Michael Olivier einspringen musste - einen noch intensiveren Groove.
In Ezras Spiel mischt nicht nur Klangfarben, sondern Musikwelten. Ezra, der im Alter von fünf Jahren mit dem Geigenspiel begann und mit neun Jahren Gitarre lernte, beherrscht zudem Klavier, Klarinette, Oud, Flöte und sogar das Beatboxen- wobei er sich alles weitgehend selbst beigebracht hat. Diese unbändige Lust an der Musik, auch am Dialog mit dem Schlagzeug, begeistert das Publikum weltweit.
Rap als Überraschung
Während Ezra, in Israel geboren, und Fathi, Österreicher mit persischen Wurzeln, in Portugal und Spanien zuhause sind, lebt der in Dallas aufgewachsene Phil Lassiter in Amsterdam. Dort sind auch die meisten der Bandmitglieder zuhause, die im Halberstädter Theater für mächtig Wumms sorgten. Die enorme Lautstärke lässt einige Gäste frühzeitig den Saal verlassen und dämpft leider den Musikgenuss bei anderen.
Lassiters US-amerikanischen Wurzeln spiegeln sich in seinen aktuellen Stücken. Dass er mit einem Rap seinen Konzertteil eröffnet, überrascht das Publikum. Das bekommt an diesem Abend bereits einige Stücke zu hören, die auf seinem Mitte Mai erscheinenden Album zu finden sein werden. Dass es da durchaus experimentell zugeht, sorgt für ungewohnte Klangkombinationen.
Mit Schlagzeug, E-Bass, E-Gitarre, vier Blechbläsern, einem zusätzlichen Keyboarder und zwei Sängerinnen sorgt die Band für große Vielschichtigkeit – sowohl bei den lauten als auch bei den leisen Tönen. Mit denen gewinnt Lassiter das Publikum für sich, sodass es auch von ihm eine Zugabe fordert und schon gespannt ist, was bei der 26. Jazznacht am 18. April 2026 für Überraschungen warten.
Adam B.Ezra & Shayan Fathi
Die Jazznacht in Halberstadt bot eine bahnbrechende musikalische Reise, als der unvergleichliche Kontrabassist Adam Ben Ezra den spektakulären Schlagzeuger Shayan Fathi für ein aufregendes neues Projekt auf die Bühne holte.
Mit grenzenloser Kreativität definierte das Duo die Beziehung zwischen Bass und Schlagzeug völlig neu, hob Grooves auf ein ganz neues Niveau und schuf einen Sound, der zugleich frisch und zeitlos wirkte. Inspiriert von einer Vielzahl musikalischer Genres und Traditionen, präsentierten sie auch in Halberstadt ihre unglaubliche Chemie und musikalische Meisterschaft. Das Publikum durfte sich über Titel aus dem neuen Album sowie frische Arrangements beliebter Stücke aus Adams früheren Alben freuen.
Es war ein einzigartiges Live-Erlebnis, das das Publikum in Erstaunen versetzte. Mit Adams virtuosen Kontrabassfähigkeiten und Shayans außergewöhnlichem Schlagzeugspiel beschritt dieses Duo neue Wege in der Erforschung von Melodie, Rhythmus und Improvisation – und kreierte einen Sound, der hypnotisierte.
Adam Ben Ezra und Shayan Fathi rissen ihr Publikum mit – und sorgten für einen unvergesslichen Abend.
Philip Lassiter Band

Lassiters Erfahrung mit erstklassigen Kompositionen und Arrangements sowie seinem virtuosen Trompetenspiel hatte ihm Auftritte unter anderem als Bläser-Arrangeur und Sektionsleiter bei Prince und New Power Generation sowie in der Zusammenarbeit mit Kirk Franklin, Ariana Grande und Roberta Flack eingebracht.
Seinen ersten Kontakt mit Prince hatte Lassiter im Jahr 2010, als er sich erfolgreich für die Position des Horn-Arrangeurs und Sektionsleiters bewarb und daraufhin Teil von New Power Generation wurde. Wie viele Weggefährten des verstorbenen genreübergreifenden Meisters ließ auch Lassiter sich von Princes unermüdlicher Arbeitsethik und seiner Experimentierfreude inspirieren.
In der Live-Aufnahme, mit der er die 25. Jazznacht in Halberstadt krönte, leitete Lassiter ein elfköpfiges Ensemble mit einem treibenden Viertelnoten-Groove und synkopierten Gitarren- und Basslinien – ganz im Geiste von Prince. Unterbrochene, schreiende Bläsermelodien wechselten sich mit vielschichtigen Gesangsharmonien ab.
Diese mitreißende Performance war nicht nur der Abschluss, sondern zugleich der unbestrittene Höhepunkt der Jazznacht – ein würdiger Schlusspunkt eines unvergesslichen Abends.